Hallo zusammen,

@Borgward

Youssefs Absicht war gut, aber deine Kommentare verraten etwas nicht gutes, leider!

Titel sind ja Botschaften, das wissen die guten Autoren. Woher hat KANT seinen Titel? weisst du es zufällig? oder willst du daraus einen KULTURKAMPF um Worte machen?
Die Philosophie hat ihren Ursprung in Griechenland ( davor aber in Ägypten, Indien und sogar in Afrika ). Fast alle Fragen der Philosophie haben die Griechen gestellt, und alles, was nach den Griechen kam, sind es NUR FUSSNOTEN der griechischen Philosophie. Die neuere Philosophie ist ohne die griechische nicht DENKBAR!

Das Wort " KRITIK" ist über das Französische Wort "critique" ins deutsche Wohnzimmer gelangt, das Verb " kritis-ieren" auch, alle deutsche Verben ( viele), welche die Präfigierung "-ieren" tragen, sind französischen Urprung. Und wenn die Sprache das " HAUS DES SEINS" sein soll, wie es Martin Heidegger gedichtet hat, dann ist die deutsche Sprache ein mit FREMDWÖRTERN und Lehnübersetzungen volles HAUS! Bitte mach keinen Kulturkampf daraus, denn Worte tragen Geschichten ins sich!!
Das arabische Wort "Naqd" ( Kritik) ist älter als das deutsche Wort, und dies nur nebenbei bemerkt. Ausserdem als die Muslime ( Araber, Berber und Perser ) über die griechische Philosophie nachdachten und sie kommentierten, gab es noch keine deutsche Schriftsprache!

Zurück zu Al-Jabri!

Um Al-Jabri zu verstehen muss man vieles gelesen haben, das Buch " Naqda al 3aql al arabi " ( Die Kritik der arabischen Vernunft) besteht aus mehreren Büchern. Die erste Ausgabe ist 1984 in Casablanca veröffentlicht worden, danach entstanden ergänzende Bücher dazu wie " Takwin al-3aql al arabi ( Die Ausbildung der arabischen Vernunft) und " Nahnou wa atturat ( Wir und das kulturelle Erbe ) usw. Jetzt weiss ich nicht, welches Buch übersetzt worden ist!?

Al Jabri´s Werk ist sehr interessant für Jemand, der sich als Araber fühlt. Ich frage mich, wo bleibt Marokko als geographischer und kultureller Raum in seinem Werk? Er, als Marokkaner, schreibt aus der Perspektive eines Arabers, er interessiert sich sogar für die vorislamische Geschichte der Araber und sieht darin, sogar den Beginn dieser arabischen Vernunft! Als Marokkaner macht er sich keine Gedanken über die Entstehung und Ausbildung der marokkanischen Denkweise, denn er geht vom Orient aus und schliesst alles aus, was nicht mit dem Arabischen zu tun hat.

Er sagt: " Das Hocharabische, unsere offizielle- und Muttersprache, bestimmt unsere Sicht als Araber auf die ganze Welt". Als Amasir/Berber interssiert mich nicht seine Ideologie, sondern etwas anderes. Er sagt weiter : " Wir meinen mit dem arabischen Menschen, ein bestimmtes arabisches Individum, das sich innerhalb der arabischen Kultur entwickelt und sich darin wohl füllt, und nur diese arabische Kultur stellt die Grundlage und Rahmenbedingung für ihn".
Für den kulturellen Pluralismus innerhalb der islamischen Welt interessiert er sich nicht, denn er denkt für ein politisches arabisches Projekt!
Es ist bekannt, dass die Gründungsväter des Panarbismus sich auf die Deutschen Sprachnationalisten u.a Fichte berufen. Al Jabri sagt über die Bedeutung des Arabischen folgendes: " wir geben dem Arabischen die totale Bevorzugung für das Studium der arabischen Vernunft, weil der Araber seine Sprache sehr liebt und sakralisiert, und er empfindet, dass die Herrschaft des Arabischen über ihn nicht nur ein Zeichen ihrer Stärke, sondern ein Zeichen seiner Stärke".
Das ist purer Sprachnationalismus wie ihn einige Deutsche Sprachphilosophen zur Zeit Napoloens propagiert hatten.
Nicht der Mensch beherrscht die Sprache, sondern die Sprache beherrscht den Menschen, das sind die Ansichten von Humboldt und Leo Weissgeber, die in den Orient gelandet sind.
Eines der größten Gefahren für einen Denker, sagt Michel Foucault, ist die Ideologiesierung der Wissenschaft. Wenn ein Werk politisches mit der Philosophie vermische, dann sollte man es nicht ernst nehmen. Al Jabri ist ein sehr gutes Beispiel dafür, dass er die arabische Kultur und den arabischen Menschen zu sehr politisiert; und deshalb ist er sehr widerspüchlich. Man sollte wissen, dass Al Jabri ein Vorkämpfer für den Panarabismus in Marokko ist. ( Sehe sein Buch: Lichter auf das Bildungsproblem in Marokko. ) Ihn interessiert nicht die Vielfalt der Kulturen und Sprachen in Marokko, nein, ihm geht es um die Durchsetzung der arabischen Ideologie in allen Lebensbereichen.

Zusätzlich zur Abwesenheit Marokko´s in seinem Werk, sehe ich die Abwesenheit des Mythos und der Imagination, die für die Vernunft im allgemein wichtig sind. Alle Denker betonnen, dass zum LOGOS auch ein MYTHOS gehört! Al Jabri geht in seinem Werk NUR vom GESCHRIEBENEN WORT aus! Er ist der Meinung, dass die arabische Vernunft mit der Verschriftung des Arabischen beginnt, bei ihm kann man sagen, dass die Vernunft sich AUF dem WORT bzw. der Sprache basiert!
Er interssiert sich nicht für die Rolle der mündlichen ERZÄHLUNGEN, DER MÜNDLICHKEIT insgesamt, DER VOLKSKULTUR, der Vorstellungskraft, also wie denken die Menschen ausserhalb des geschriebenen Wortes, welches "wilde Denken" ( Claude Levi-Strauss) bestimmt ihre Vernunft und Verhalten!? Was beeinflusst die Vernunft abgesehen von der Sprache? Selbst die Begriffe Kultur und Vorstellung spielen in seiner These keine Rolle.

Der Islamforscher ( Mohamed Arkoun ), der das Buch: " Für eine Kritik der islamischen Vernunft" Paris 1984 schrieb, geht anderes vor und räumt der Imagination und dem Mythos insgesamt eine große Rolle in der Ausbildung der Vernunft ein. Übrigens sein Buch wurde im selben Jahr veröffentlich wie das Buch von Al-Jabri! Arkoun lässt die Ideologie beiseite und spricht von den Bedingungen, die zur islamischen Vernunft geführt haben. Er spricht von den VÖLKERN des Islam, die ihre Vernunft, ihre Mentalitäten und Identitäten trotz der Islamisierung sichtbar bleibt, weil ihre Vorstellungskraft und ihre Volkskultur den " arabischen" Islam verändert haben.
Gegensätzlicher können die Ergebnisse nicht sein, Arkoun spricht von der Entstehung und Entwicklung der "islamischen" Vernunft, Al Jabri von der "arabischen". Der eine füllt sich als ein Araber aus der Familie des Propheten, der andere ist ein Berber aus der Kabylei!

Es gibt sehr viele Angriffspunkte auf Al Jabri, und das ist für ein Werk nicht gut. Die Fehde mit Georg Tarbachi, ein arabischer Christ,begann mit der Rolle der Sprache innerhalb der Vernunft und endete in dem berühmten Plagiat-Vorwurf!
Al Jabri sagt z.B : Die Islamisierung und die Arabisierung sind untrennbar, er vermischt bewußt zwischen der Religion und der Sprache. Ein anderer Marokkaner Laroui Abdellah sagt dagegen: " die ersten Araber in Nordafrika wollten das Land erobern und beherrschen und nicht den Berbern zeigen, wie man zu Allah beten sollte!
Al Jabri´s Leistung ( für die Araber) ist, die Werke der arabischen Klassiker ( Ibn Rushd, Ibn Tufayl, Ibn Sina, ibn Hazm ) für die heutigen Leser zugänglicher gemacht zu haben, und das interessiert mich am meisten. Seine politischen Ansichten und Projekte, seine Vernachlässigung der marokkanischen Dimension in seinem Werk kann ich nicht nachvollziehen.
Insgesamt stellt man bei Al Jabri fest, dass er physisch in Marokko ist, aber geistig im Orient. Und es gibt in Marokko einige Intellektuelle dieser Sorte.


@ Youssef
Al Jabri hatte abgelehnt, Mitglied in der königlichen Akademie zu werden, weil dort einige Mitglieder sassen, mit denen er unterschiedlicher Meinung über Marokko war, ausserdem man kann nicht im Hause eines Königs sitzen, den man bekämpft hatte!




Gruß
Afulki


Tidt n umya!