Hallo Erika,
hier nochmal Dein Beitrag von "Andere Themen" und danach meine Antwort:

Erika Därr
Mitglied
Mitglied # 10
erstellt 28.08.2001 14:48

Wow, hier geht es ja rund. Spekulationen gibt es immer, aber dass hier bezahlte Meinungen
veröffentlicht werden ist mir neu, leider ist der Staaat Marokko nicht so freizügig mit Geld.
Lieber Uschen, hier hast Du dich vergallopiert. Alle Leute hier vom Board arbeiten
ehrenamtlich und Rainer wird nur vom deutschen Staat bezahlt (als Beamter), auch wenn
mir seine "Königsliebe" im Moment auch etwas auf den Geist geht. Denn ich war bislang
auch ein Fan des neuen Königs, bin aber neuerdings etwas am relativieren, nachdem mir so
nach und nach einiges zu Ohren kommt, was mich stutzig macht. Die erste Zeit und die
Interviews die der König gegeben hat, ließen darauf schließen, dass sich etwas ändert und
im Ansatz hat sich sicher hier und da was geändert. Eine Erwähnung von Tazmamart und
der Affaire Ben Barka in der Öffentlichkeit wäre früher undenkbar gewesen. Nur sollten hier
auch die Verantwortlichen vor Gericht kommen oder zumindest eine Art
Wahrheitskommision wie in Südafrika sich der Aufarbeitung der Vergangenheit widmen.
Wenn dan kritische Zeitungen wie Le Journal oder sogar normale wie Le Monde verboten
oder behindert werden , dann ist das keine Demokratie. Was mir Sorgen macht ist die
immer größere Kluft zwischen arm und reich. Die Schere wird meiner Meinung nach immer
größer und wer sich nur im städtischen Bereich bewegt und nicht auf dem Land, dem wird
das gar nicht auffallen. Hier liegt das Problem: Geld und Macht liegen bei den Reichen und
Einflußreichen. Wenn der König die Macht des Makhzen und der Oberen 10 000 beschränken
will, dann sägt er am eigenen Ast. Denn wem gehört denn das Vermögen, die Firmen die
Ämter? Der König müsste sich eine andere Lobby suchen die ihn stützt, wenn er deren
Rechte beschränken will. Aber was passiert: Der Handkuss wird wieder eingeführt, ein neuer
Königspalast in Marrakesch wird gebaut und Firmen die privatisiert werden sollen werden
vom Königshaus bzw. deren Privatfirmen aufgekauft. Ist das die neue Zeit und die neue
Demokratie? Für mich ist das ein Rückfall in die alten Zeiten und kein Aufbruch in neue
Zeiten. Unter dem Mäntelchen von mehr Demokratie wird der Machterhalt gesichert. Wer
liest jemals was, was das Parlament beschließt? Im Moment liest man nur seine Majestät
der König hat dies und jenes gesagt, z.B. die Wohnsituation der Armen msste verbessert
werden. Aber es gibt kein Konzept dazu oder gar einen Beschluss. Wo ist das Parlament?
Wo ist irgendein Ansatz zu sehen, dass bezüglich Analphabetisierung und Schulen mehr
passiert. Es kann doch nicht sein, dass seit Jahrzehnten die Analphabetenquote bei 50 %
liegt. Straßen werden ja gebaut, aber auch in erster Linie da, wo es strategisch wichtig ist
wie in der Nähe der algerischen Grenze. Das fruchtbarste Land gehört den Königsclan und
den Superreichen, die Kleinbauern darben derweil wegen der anhaltenden Trockenheit. Das
Wasserproblem ist gravierend und es ist zwar erfreulich wenn viele Touristen kommen nur
dadurch wird das Wasserproblem um Agadir nur noch größer. Es wäre an der Zeit an
Meerwasserentsalzunganlagen zu denken, sonst haben womöglich die Touristen noch
Wasser aber die Bauern nicht mehr. Dorch wer soll das Geld geben. Reiche Saudis werden
ins Land gelassen um den letzten Wildbestand und die letzten Gazellen zu jagen und daran
verdient wieder die Clique der Reichen, anstatt die Saudis für Projekte zu gewinnen die dem
Land was bringen.
Rainer du hast immer noch nicht auf meine Frage geantwortet, welche Paläste der König
verkauft und wo das zu lesen stand! Ich war vorletztes Jahr sehr davon angetan als ich
hörte der König würde nicht in seinen Palästen wohnen, sondern weiterhin in seiner Villa
die er früher schon bewohnte. Dass er jetzt in Marrakesch neu baut, erschüttert mich
ebenso wie das neuerlich Auftreten zu offiziellen Anlässen - wie sein Vater. Scheich Jassine
hat nicht ganz unrecht, wenn er fordert das Auslandsvermögen des Königshauses für die
Armen zu verwenden. Wenn M 6 König der Armen sein will, dann muss er handeln, sonst
wird das ganze nur als kurze Propaganda zu Beginn seines Amtsantrittes gesehen, oder er
ist schon so von dem Machtgespinnst des Palastes eingelullt worden, dass die heren Ziele
die er einstmals verfolgt hat, nur noch Makulatur sind. Ich weiß auch, dass man in drei
Jahren nicht viel ändern kann, das sieht man auch an unserer Politik, aber Gesetze
zugunsten mehr Demkratie und zugunsten derArmen kann man auf den Weg bringen und
diese sind in dem Machtgefüge mit einem nur beschränkt wichtigen Parlament leichter
durchzusetzen als bei uns. Ich vermute nun mal, dass es deswegen nicht passiert, weil der
König genau weiß, dass er sie mit dem derzeitigen Machtapparat zwar verabschieden kann,
aber diese nicht durchgeführt sondern blockiert würden, denn wer verzichtet gerne auf
Macht und Geld. Um Geld fei zu machen müsste man den Beamten- und Staatsapparat auch
den Königshof gewaltig den Geldhahn zudrehen, denn der Staatshaushalt wird durch die
Kosten des Beamtenapparates und Königshauses, durch die Schuldentilgung und das Militär
aufgefressen, für den Rest bleibt kaum Geld. Wer es nicht glauben will, sollte sich die
Wirtschaftszahlen und die prozentualen Ausgaben des Staatshaushaltes anschauen.
Es ist etwas faul im Staate Dänemark (in diesem Falle Marokko) um mit Hamlet zu
sprechen. Ich würde nichts mehr wünschen, als dass sich Marokko hochrappelt und auf die
Beine kommt, auch wenn ich nur Deutsche bin ohne familiäre Bindung an Marokko. Das
Land liegt mir sehr am Herzen!

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Liebe Erika,
Du fragtest nach den Königspalästen, die der junge König verkauft hat.
Konnte mich z.B. selber davon überzeugen, daß der Königspalast in Oujda verkauft ist, andere sollen es ebenfalls sein!
Was den Bau eines neuen Königspalastes in Marrakesch anbelangt, so läßt es sich mit dem Bau des neuen Kanzleramtes in Berlin vergleichen: Marrakesch soll die zukünftige Hauptstadt Marokkos werden!
Zum Thema Demokratie brauche ich eigentlich nichts mehr beitragen (die negativen Erlebnisse wie Zensur etc., kenne ich auch und begrüße sie natürlich nicht!), da dieses Thema hier ausführlich behandelt worden ist und möchte nur noch mal das bisherige Fazit wiedergeben: "Es gibt keine Alternative zum König Mohammed VI (außer eben ein befürchtetes Chaos)!"
Erika, gerade Du kennst doch die Marokkaner recht gut und hast doch Marokkos Entwicklung in den vergangenen Jahrzehnten genauestens verfolgt, so daß Du weißt, daß eine Zeitspanne von gerade einmal 2 Jahren für marokkanische Verhältnisse einfach zu kurz ist, um über totale Veränderungen urteilen zu können! "Gut Ding braucht Weile!!!!"

Der "Dir mit seiner Königstreue auf den Geist gehende" Rainer (dem das aber nichts ausmacht!) \:D