Re: Wenn ich an Marokko denke, dann sehe ich ...
#59237
03/09/01 11:18 PM
03/09/01 11:18 PM
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Rainer
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Uschen, Du scheinst durch die u.a. ethnologischen Studien Deiner berberischen Vorfahren wirklich sehr bewandert zu sein. In diesen Bereichen kann ich absolut nicht mitreden, zumal ich auch Ibn Khaldoun nicht gelesen habe und voraussichtlich auch nie lesen werde.
Nur in einemm, was Du schreibst, sehe ich einen Widerspruch: Deine Aussage, daß die Bevölkerung in Marokko überwiegend homogen sein soll im Vergleich zu dem Vielvölkerstaat des ehemaligen Jugoslawien. Dagegen steht für mich die allgemeine Aussage, daß Marokko "das Land der tausend Gegensätze sein soll". Das Nord-Süd-Gefälle bei der marokkanischen Bevölkerung soll wesentlich krasser ausfallen als im Vergleich dazu in Deutschland z.B. zwischen Bayern und Hamburgern.
Ein für mich bezeichnendes Erlebnis war z.B. im Süden Marokkos in der Gegend um Zagora, als ich einem Tuareg (also einem der "Blauen Männer") etwas von den Leuten vom Rif erzählen wollte. Er meinte nur: "Oh, die sind gefährlich!". Im Rif wiederum hörte ich in Bezug auf die Leute von Casablanca: "das sind ja gar keine richtigen Moslems"! Dageben spürte ich bei den Leuten um die Gegend von Rabat und Casa (sowie sogar hier bei den Konsulaten in Deutschland) eine gewisse Distanz gegenüber den Leuten aus dem Rif! Gerade zwischen Arabern bzw. arabisierten Berbern und der berberischen Bevölkerung aus dem Rif scheint es wohl immer noch starke Vorbehalte und Abgrenzungsversuche untereinander zu geben, was sich z.B. auch in Form eines quasi Heiratszwanges innerhalb der Dorfgemeinschaft/Sippe o.ä. auswirken kann. Könnte aus der eigenen Familie, die aus dem Rif stammt, noch einiges dazu an Erlebnissen beisteuern! Nach meiner Einschätzung sind die Marokkaner durch ihre ethnologische Bevölkerungsvielfalt eher als heterogen anstatt homogen zu bezeichnen (eben "Land der 1000 Gegensätze")!
Gruß Rainer
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Re: Wenn ich an Marokko denke, dann sehe ich ...
#59238
04/09/01 09:28 PM
04/09/01 09:28 PM
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Uschen
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Hallo Rainer ( Du bist ja noch da ! ), mit dem Begriff " Homogen bzw.Heterogen " meinte ich eher die ethnische Zugehörigkeit und nicht die wirtschaftliche , soziale oder etwas anderes. Marokkos Bevölkerung ist "relativ" Homogen, d.h es gibt höchstens zwei Ethnien ( Araber und Berber ). Die Rifis sind Imasiren (Berber) genauso wie ich als ein Amasir aus dem Süden Marokkos. Übrigens , die Deutschen sind ethnisch gesehen sehr viel heterogener ( die Schwaben,die Bayern,die Rheinländer,die Westfalen,die Franken,die Sorben,die Sachsen,Die Friesen usw....)als wir und deshalb haben wir auch DEUTSCHENLÄNDER (Bundesländer), die über ein starkes politisches Gewicht verfügen. So gesehen, ist Marokko ziemlich homogen. Was den Satz " Marokko : das Land der Gegensätze usw... " angeht, das vermage ich folgendermaaßen zu beantworten. Es gibt klischees und einige Sprüche mit denen bestimmte Länder oder Regionen für sich werben.Und Marokko scheint diesen Satz zu verinnerlichen und für komerzielle Zwecke zu nutzen. Natürlich gibt es viele Gegensätze in Marokko und die gibt es auch in Deutschland ,in der Schweiz und anderswo. Die Gegensätze schlechthin, die ich als solche für Marokko akzeptiere, sind geographischer und klimatischer Natur, alles andere ist überall findbar. Die Frage nach dem Regionalismen, d.h der Stolz bzw. Hass unter Regionen hat politische Hintegründe. Bis ins 15 Jh. haben die berberischen Dynastien mit Hilfe der alten berberischen Organisationsformen ( Dorfversammlung >> Dörferversammlung >>>>Stamm>>>>>>Verbund mehrerer Stämme ( Leffs)>>>>>Föderation )regiert und Macht ausgeübt. Die berberischen Dynastien haben das respektieren müßen. Mit der Gründung der alaouiten Dynastie(16Jh) verschoben und änderten sich die Organisationsformen. Nicht die alten Organisationsformen sollten eine Rolle spielen, sondern der Sultan/König sollte alles bestimmen. Ich versuche nur eine Zusammenfassung zu vermitteln, es gibt dazu viele Details. Für die Durchsetzung seiner Macht hat der Sultan die Strategie gewählt, die für seine Macht und Einfluß gut passte. Er verband sich z.B mit bestimmten berberischen Stämme gegen andere, die ihn ablehnten usw.. Also er hat die Politik der " Teile und herrsche " praktiziert und somit ging die Solidarität zwischen den Regionen und Stämme verloren und trat die Phase der Ssiba ein ( d.h Autonomie ohne Gesetze ). Diese Politik " Teile und herrsche " hat zur Stärkung des Sultans und zur politischen Schwäschung der Berber geführt. Politisch starke Stämme wurden angegrieffen und schwache Stämme wurden bevorteit. Deshalb gabe es in Marokko bis 1933 Blad Es-SSiba ( Das autonome Land der Berber ) und blad al-Machsen( das vom Sutlan abhängige Land ). Die trafitionllen Verbündeten des Sultans/Königs unter den Berbern wurden auch im Jahre 1956 instrumentalisiert. Diese politische Instrumentalisierung der Berber(Atlas-Berber) hat dazu geführt, dass der König Hassan II (im Hubschrauber) Befehle erteilte, um auf die Söhne und Töchter Abdelkrims (Rif-Berber )mit französischer und spanischer Monition zu schiessen. Seit diesem barbarischem Akt hat sich der verständliche Ärger der Rif-Berber auf die " Shab Ad-dakhil / die Leute aus dem Landesinnere " verbreitet. Die Leute aus dem Landesinnere wurden für die Zwecke der Monarchie instrumentalisiert. Es gibt en witeres Kriterium für das Verständnis dieses Regionalismus : Der Urvater der Berber hiess Masir ( deshalb auch Imasiren(Freie Menschen) ). Es gibt darunter andere Söhne usw.. Und die jetzigen Berber in Marokko haben mit drei alte große Stämme zu tun, die früher eine politische Einheit bildeten. Die Zenata ( Rif und Kabylen) Die Senhaja ( Atlas und Sahara ) Die Massmuda ( Ssuss und Atlantikküste) Fast jeder Marokkaner kennt ein altes marokkanisches Sprichwort, das dieses Thema treffend und kurz erklärt: Das Sprichwort auf Marokkanisch : Kaynin Amasir dyal Lâaz , kaynin dyal Lkenz und kaynin dyal Lkhnez : Übersetzung : Es gibt die Berber der Ehre, des Reichtums und des Gestanks ( frei übersetzt : Es gibt die Berber des Stolzes, des Reichtums und der Erniedrigung ). Der Machsen hat bewußt eine Politik der Teillung und des Hasses verfolgt, damit es bei der politischen Schwächung der Berber bleibt. Der Machsen hatte nach der Unabhängigkeit Angst vor den Berbern, deshalb wurden sie als erste Marokkaner an Frankreich,Niederlande,Deutschland und Belgien " verkauft "/als Arbeitskräfte zur Verfügung gestellt. Die marokkanische Diaspora (in Europa ) bestand bis zur neunziger Jahren ausschliesslich aus den Rif-Berbern(Deutschland,Niederlande und Belgien) und den Ssuss-Berbern(Frankreich,Belgien und die Niederlande). Diese Menschen wurden geschickt, damit es zu einem politischen Gleichgewicht in Marokko kommen kann. Ihnen ist genauso passiert wie die berberischen Juden aus Demnat,Inzegan,Tinghir,Mogador ( Südmarokko), sie waren , politisch gesehen unerwüncht. Gruß Uschen
Tidt n umya!
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Re: Wenn ich an Marokko denke, dann sehe ich ...
#59239
05/09/01 12:19 AM
05/09/01 12:19 AM
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Joined: Feb 2001
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Rainer
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Hallo Uschen, so schnell lasse ich mich eben nicht vertreiben! Wie ich schon ausführte, habe ich mich mit dem Thema selbst zuwenig beschäftigt, als das ich hier ernsthaft mitreden könnte! Du schreibst Mogador (Südmarokko), damit meinst Du doch sicherlich Essaouira am Atlantik, das unter ehem. portugiesischer Herrschaft stand und berühmt ist für seine Zedernholzintarsien in Tischen etc., oder? siehe bei: http://www.essaouiranet.com/deutsch/essaouira/frueher_heute_menschen/essaouira_hfm.htm Gruß Rainer
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Re: Wenn ich an Marokko denke, dann sehe ich ...
#59240
09/09/01 12:36 PM
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Amzal
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Assalamu Aleikum Hallo miteinander Ich bin wider aus dem Marokkourlaub zurück . Ich habe vieles gesehen und vieles zu erzählen. In den drei langen Jahren in den ich nicht in meiner Heimat war haben sich einige dinge geändert ,und einige nicht, eher verschlechtert. Drei Jahre hat es in Süd Marokko nicht richtig geregnet der Fluss Sous von Agadir ist Ausgetrocknet der Staudamm von Agadir ist fast leer ,die Menschen fürchten wen es dieses Jahr nicht regnet dann wird es katastrophal werden für die Landwirtschaft Süd Marokko. Die Verkehrsunfälle haben nicht abgenommen sondern ehr zugenommen. Korruption gibt es immer noch überall. Schwarze Plastiktüten verunstalten und verschmutzen das Land. Die Straßen der Großstadt Casablanca haben Schlaglöscher oder beulen. Die Autobahn von Larache nach Tanger ist immer noch nicht fertig? Und von einer Demokratie sind wir weit entfernt. Zu den positiven dingen????? Man kann offener über die politische Lage in MA reden. Man glaubt es kaum die Zollbehörden von Setta haben uns ohne üblichen Schikane reingelles? Keiner muss hungern, Die Strände sind sauberer, Und fast jeder hat ein Handy, Und meiner Familie geht es gut. Nun zur Gesellschaftlichen und Politischen Lage in MA , fast jeder Jugendlicher ob Arbeitlose oder berufstätige will weck aus Marokko. Sie sehen keine Zukunft in ihre Heimat .Ich habe mit Verwandten und Bekanten gesprochen die einen Diplom vorweisen können oder einen sehr guten Abschluss haben ,sie sitzen auf der Straße ich kenne IT Spezialisten die für ihre arbeit wen sie überhaupt entlohnt werden dann gering die besten sind nach Frankreich, Kanada oder USA ausgewandert. Marokko will sich Investitionen nicht öffnen wenn irgend ein Investor ein vorhaben in MA Starten will wird es ihm erschwert entweder durch erkaufen der Genehmigung oder es geht in Filz unter, dies war einer der gründe warum Daewoo Die Investitions- vorhaben im übrigen eines der größten vorhaben der Südkoreaner in Afrika von Marokko nach Tunesien umgestiegen sind. Die reichen Erdöl Funde im Nordosten Marokkos haben sich als Flop erwiesen. Noch immer schuldet Marokko den Gläubigern 17Mrd. US$ Ich frage mich immer warum wer in Marokko das Tor zu Afrika ,die Tür nach Europa ,Billige Arbeitskräfte ,Bodenschätze. Warum es uns wirtschaftlich gesehen schlechter geht ,und wer nicht die Gunst der stunde Nutzen. Und die vorteile unseres Landes ausschöpfen. Aber die herrschenden Klassen und die reichen Marokks ziehen das kapital aus dem land und Investieren außerhalb ihres Landes in Frankreich, Spanien usw. und destabilisieren ihre eigene wirtschaft , leider Gottes geht es bei uns Marokkanern nur um yarassi,yarassi,( (O mein kopf , o mein kopf) Puren Egoismus der reichen Clique.
Den Beitrag werde ich bei ausreichender zeit ergänzen J
P.S. Einige ausstehende antworten im Forum ,werde ich zur gegeben Anlass beantworten.
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Re: Wenn ich an Marokko denke, dann sehe ich ...
#59241
11/09/01 09:43 AM
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Silla
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seit herzlich gegrüsst zurück aus meinem marokkourlaub stelle ich hocherfreut fest, endlich wieder mal eine hochinteressante diskussion hier im board! als ich meine frage nach den marokkanischen berber (masiren) stellte, war ich ja total unwissend. wie ich jetzt feststelle, war ich total blauäugig. d.h. ich habe mich leider nicht sonderlich damit befasst, (schäme mich auch etwas dafür) da ich dieses "problem" nicht gesehen habe, oder nicht sehen wollte! das wird sich jetzt ändern! vielen dank auch an alle beteiligten, vor allem aber an uschen, der sich hier sehr angagiert und viele interessante beiträge leistet! im moment kann ich mich, aus beruflichen gründen, leider nicht gross daran beteiligen, werde mir abe das lesen eurer beiträge, nicht nehmen lassen! :-)) einen wunderschönen tag wünsche ich euch silla
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Re: Wenn ich an Marokko denke, dann sehe ich ...
#59243
21/12/01 08:59 PM
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Maja
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Guten Abend Uschen - übrigens ist das Wort "Magazin" keinesfalls lateinischen Ursprungs - sondern stammt aus dem Arabischen "mahzan" - hier Pl. "mahazin". Ich schließe mich in meiner Lesererwartung Rainer an und möchte auch den letzten Satz von Ihnen mit der "Festnahme..." gerne erklärt haben. Schönen Dank im Voraus - Maja
Maja
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