hallo zusammen,

Den nachfolgenden artikel fand ich bei einer recherche zu einem anderen thema, finde ihn aber lesens- und nachdenkenswert. Das kritisierte missverhälniss zwischen lokalen gehaltsstrukturen und übernachtungspreisen ist natürlich auch im “normalen” hotelsegment zu finden. Ebenso der problematische resourcenverbrauch.

Interessieren würde mich aber die einschätzung anderer zum punkt “einbruch westlicher lebensart in quartiere, die bis anhin fast ausschließlich einheimischen vorbehalten waren”
Ein teil der touris will genau diese authentizität und keine für sie inszenierten folklorespektakel wenn sie reisen, so hörte ich es immer wieder. Einerseits ist es genau das, was es ausmacht, dass marokko “oase für die sinne ist” wie vom fremdenverkehrsamt beworben und andererseits??

Wie schätzt ihr die folgen der touristen in medina ein?
Gibt es einen "mittelweg" der allen interessen gerecht wird und wenn ja wie sieht er aus? Mit interessen ist gemeint: "exotik " für die touris, devisen und wirtschaftliche entwicklung für das land marokko bzw. die jeweilige stadt und gleichzeitig ein ungestörtes leben für die bevölkerung bzw. bewohner der medina.

Der artikel erschien in den kurzinformationen “Akte”, ausgabe 2/2001 herausgegeben vom arbeitskreis tourismus & entwicklung basel.

Paradiesische Stadtpaläste mit bitterem Nachgeschmack
von Beat Stauffer

In Marrakesch boomt der Tourismus wie selten zuvor. Dutzende von neuen Hotels der Luxus-kategorie
sind in den letzten Jahren eröffnet worden. Vor allem aber sind unzählige alte Stadt-paläste
– sogenannte "Riads" – in luxuriöse Hotels und „Maisons d’hôtes“ verwandelt worden.
Seit kurzem ist die touristische Nutzung dieser Hofhäuser offiziell zugelassen und vom Touris-musministerium
anerkannt, und die Betreiber haben dem Staat die ortsüblichen Steuern abzu-liefern.
Diese neue Art der Hotellerie entspricht zweifellos einem Bedürfnis seitens vieler
Reisender. Von der touristischen Nutzung der alten Paläste gehen zudem wichtige Impulse zur
Erhaltung der vom Zerfall bedrohten Altstadt von Marrakesch aus, und die Beschäftigungs-effekte
sind beachtlich. Doch der Boom der „Riads“ in der Altstadt von Marrakesch hat auch
einige äusserst problematische Folgen. Zum einen belasten die meist luxuriös ausgebauten
Paläste die dürftige Infrastruktur der Altstadt in erheblichem Mass. In diesem Zusammenhang
sind vor allem die Probleme der Trinkwasserversorgung und der Kanalisation zu erwähnen.
Zum zweiten bedeuten diese Gasthäuser einen Einbruch westlicher Lebensart in Quartiere, die
bis anhin fast ausschliesslich den Einheimischen vorbehalten waren. Das kann zu zahlreichen
Spannungen, ja zu Konflikten führen. Drittens stehen hinter diesen Projekten in den meisten
Fällen Europäer bzw. ausländische Unternehmen. Viertens ist bei vielen "Riads" ein krasses
Missverhältnis zwischen den Preisen der Dienstleistungen und den Löhnen der Angestellten
vorhanden.
Die letzten beiden Punkte verdienen es, ein wenig ausgeführt zu werden. Gewiss kommt vielen
Europäern das Verdienst zu, mit ihren touristischen Projekten vom Zerfall bedrohte Hofhäuser
gerettet zu haben. Doch längerfristig ist diese Entwicklung problematisch. Bereits heute zirku-lieren
in Marrakesch Witze, dass Einheimische schon bald ein Visum benötigen, um die
Altstadt betreten zu können. Das Unbehagen wird kräftig angeheizt durch die weit verbreitete
Vermutung, dass Europäer mit diesen "Riads" auf dem Buckel der Einheimischen im grossen
Stil Geld verdienen. Leider ist dieser Vorwurf nicht leicht zu entkräften. Wohl ist es wahr, dass
die Renovation eines Altstadthauses Unsummen verschlingen kann. Dennoch ist ein krasses
Missverhältnis zwischen den Zimmerpreisen und dem lokalen Lohn- und Preisniveau unüber-sehbar.
Wenn in einem "Riad" Preise von 200 bis 400 Schweizer Franken für ein Doppelzim-mer
und von 500 Franken für eine kleine Suite verlangt werden, so ist dies schlicht abwegig.
Denn das allgemeine Preisniveau liegt mindestens fünfmal tiefer als in der Schweiz, und der
vom Staat vorgeschriebene Mindestlohn beträgt ganze 270 Franken pro Monat. In vielen
"Riads" erhalten die Angestellten aber bloss Löhne in dieser Grössenordnung. Dasselbe Missverhältnis
gilt auch für die Luxusrestaurants in der Altstadt. Unter diesen Umständen wird ver-ständlich,
weshalb "Riads" für ihre Besitzer oft wahre Goldgruben sind. Im Interesse eines
nachhaltigen Tourismus wäre es dringend nötig, diese Preispolitik zu überdenken und die ma-rokkanischen
Angestellten besser zu entlöhnen. Andernfalls dürfte diese neue, zukunftsträchti-ge
Form der marokkanischen Hotellerie schon bald mit Problemen konfrontiert werden.

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sk8er


KÄMPFT FÜR DIE FREIE MEINUNGSÄUSSERUNG HIER IM BOARD!!!