Liebe Katrin, danke für Dein Forengedächtnis auf das immer Verlass ist - seitdem angeblich das Internet nichts vergisst, vergisst jeder alles oder anders gesagt: man muss schon auch wissen, wo man suchen muss, die Suchfunktion ist in dieser Hinsicht fürn Hintern. Besser sagt es Rilke:
Empfange nun von manchem Zweig ein Winken,
als sei`s ein Grüssen oder Wiedersehn;
und, wie die Schalen, draus die Vögel trinken,
lass selbst den Regen spiegelnd in dir stehn.
Nichts geht verloren, alles giebt sich weiter.
Wer es im Innersten begreift der steigt,
und oben ist das Ende seiner Leiter
ans Gleichgesinnte sicher angeneigt*.
Danke für Deinen Hinweis, allerdings verstehe ich manchmal rückblickend meinen eigenen Furor (tagelang diese Postings zurückzuverfolgen: da muss man schon ganz schön vernagelt sein) nicht mehr.
Nun zu Twikezora:
es ist tatsächlich extrem unangenehm immer wieder von
Anektoden lesen zu müssen, immer und immer wieder gibt es massenweise Tode, die von Dir annektiert werden: das muss einem Akademiker (sorry Jasmin, das muss jetzt mal wieder sein, das ist mein ureigenstes Selfmadewoman-Trauma) doch schon alleine beim leise vor sich Hinsprechen der eigenen Postings (bevor man sie dann gourmethaft abgeschmeckt mit massenweisen "mmmmh's" versehen, abschickt) auffallen?
Besonders angetan hat es mir aber das
"nicht wahr" an einem der Satzenden von Dir.
Ich lese gerade
Eichmann vor Jerusalem (und nein, Koschla, das lese ich nicht, um Dich zu ärgern, es ist mir nur zufällig in die Hände gefallen), worin die gesamte deutsche Nazi-Nachkriegsgesellschaft akribisch kartografiert wird - nicht nur in Südamerika, sondern auch in Nordafrika*. Da staunt man nicht schlecht, wen man da alles mit Namen und Anschrift, Briefen, Interviews und Tonbandaufzeichnungen wiederfindet, was hier keinen interessieren muss, aber der Zusatz "nicht wahr" findet sich in zahlreichen Eichmann Interviews, die er in Argentinien zwischen 1956 und 1958 gegeben hat.
Das will nun gar nichts heissen, darauf bestehe ich!
Ich zitiere trotzdem mal so ein "nicht wahr" von Eichmann aus den sogenannten "Sassen-Interviews" nur um mein Sprachekelgefühl zu verdeutlichen, das in mir bei Postings von Twikezora unwillkürlich aufsteigt:
"…und bitte führen Sie mich nicht nach 12 Jahren aufs Glatteis, ob der Kaufmann oder Eichmann oder Sassen geheissen haben mag, oder Morgenthau, das ist Wurscht, es war da irgendetwas gewesen, wo ich mir sagte: gut, dann muss ich alle Bedenken fallen lassen, denn bevor mein Volk ins Gras beisst, da soll eher die ganze Welt ins Gras beissen, nicht wahr? Dann mein Volk, aber erst dann!
Das war ich.
Mich interessiert meine Laus unter meinem Kragen. Die zerquetsche ich. Das gilt für mein Volk. Was meinem Volke nützt, ist für mich heiliger Befehl und heiliges Gesetz. Jawohl.
Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen, hätten wir von den 10,3 Millionen Juden, die Korber ausgewiesen hat, 10,3 Millionen Juden getötet, dann wäre ich befriedigt und würde sagen, gut, wir haben einen Feind vernichtet, nicht wahr? Nun durch es Schicksals Tücke der Großteil dieser 10,3 Millionen am Leben geblieben sind, sage ich mir: Das Schicksal wollte es so. Ich bin nur ein kleiner Mensch und habe dagegen nicht anzustinken, ich kann's auch nicht, will es auch gar nicht. Und aus diesen Motivierungen heraus müssen Sie verstehen, wenn ich sage, wenn 10,3 Millionen dieser Gegner getötet worden wären, dann hätten wir unsere Aufgabe erfüllt, nicht wahr (Wirkungspause)."Reiner Zufall, wenn so viele gleichzeitig diesen Thread hier lesen, reiner Zufall, dass ich gleichzeitig dieses Buch lese, nicht wahr?
Den Rest spare ich mir für heute, aber Zufälle müssen nunmal auch entsprechend gewürdigt werden - man sagt ja auch, dass wenn irgendwo ein Schmetterling umfällt es einem Jacke wie Hose wäre.
Josi
*Aus Nordafrika haben sich die meisten Nazi-Promi's aber frühzeitig wieder verabschiedet (wenn man von mehr als hundertjährigen Restbeständen absieht, die jeder in diesem Forum mehr als 10 Nicke besitzt)
*Aus: Die Gedichte 1922 bis 1926 (Ragaz, Mitte Juli 1924)